Ehrenmorde Geschichte

Ibtihal Al Z.
geboren: 1988
erschossen: 31. August 2008
Wohnort: Iserlohn/Schwerte
Herkunft: Opfer: Libanon; Täter: Syrien
Kinder: keine
Täter: ihr Onkel Hussain (zur Tat 48 J., finnischer Staatsbürger) und ihr Cousin Ezzedin A. (Syrer, 20 J.)
Ibtihal ist eine staatenlose Kurdin aus dem Libanon. Sie ist in Bochum geboren und hat fünf oder sechs Geschwister. Mit 20 Jahren macht sie ihren Hauptschulabschluss nach und absolviert ein Praktikum in einem Kindergarten, um eine Ausbildung zur Erzieherin zu beginnen. Seit etwa Anfang 2006 ist sie mit dem sieben Jahre älteren Türken Eyüp liiert.

Möglicherweise beschließen die Väter der beiden, Ibtihal und Eyüp nach islamischem Recht zu verheiraten.

Aber Eyüp schwängert Ende 2006 ein 16jähriges türkisches Mädchen aus der Nähe von Frankfurt. Dessen Familie zeigt ihn wegen Vergewaltigung an, fordert aber gleichzeitig die Eheschließung, um die Familienehre wiederherzustellen.

Doch Eyüp möchte lieber bei seiner Lebensgefährtin Ibtihal (oder Iptihal, Iptehal) bleiben.

Am 2. Februar 2007 fahren Ekrem und Murat, Bruder und Cousin des 16jährigen Mädchens, nach Dortmund, um den Vater des noch ungeborenen Kindes unter Druck zu setzen. Er soll Ibtihal verlassen und ihre Schwester bzw. Cousine heiraten. Eyüb und Ibtihal werden mit vorgehaltener Waffe genötigt, zu ihnen in den Wagen zu steigen. Möglicherweise werden sie zu seinen Eltern gefahren, um die Einwilligung für Trennung und neue Heirat einzuholen (nicht ganz klar in der Berichterstattung).

Später gibt es einen Prozess um diese Angelegenheit. Ibtihal sagt unter Eid aus. Drei Tage später ist sie tot. Daher fällt der Verdacht zunächst auf die an der Verschleppung beteiligten Türken.

Doch es stellt sich folgendes heraus. Zum Zeitpunkt des Mordes lebt Ibtihal bereits in einem Frauenhaus in Iserlohn, vermutlich weil ihre Brüder sie wegen ihres westlichen Lebensstils terrorisieren. Am Abend vor dem Fastenmonat Ramadan besucht sie ihre Mutter und Geschwister in Schwerte. Ihr Handy klingelt zwischen 22 und 23 Uhr, daraufhin bricht sie überstürzt auf (so ihre Mutter Aziza).

Am nächsten Morgen wird Ibtihal erschossen auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte an der A 45 in der Nähe von Lüdenscheid gefunden. Ermittlungen ergeben, dass ihr Cousin Ezzedin sie an den Beinen festhielt und ihr Onkel Hussain sie erschoss. Letzterer hat aus unbekanntem Grund einen finnischen Pass. Er kommt extra für die Tat nach Deutschland. Danach taucht er unter. Der Cousin sitzt in Untersuchungshaft und schweigt.

In der Anklage der Staatsanwaltschaft findet sich im Mai 2009 als Motiv für die Tat die Wiederherstellung der Familienehre (und nicht, wie ursprünglich angenommen, die Beseitigung einer Zeugin). Im Januar 2010 wird Ezzedin wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Im Urteil steht, dass ein Familientribunal den Tod der jungen Frau beschlossen hatte, weil ihre westliche Lebensweise nicht den Wertvorstellungen der Familie entsprach. Der zweite Täter ist weiterhin flüchtig.

Ein Hinweis für Ehrenmordforscher: Wegen der niederen Beweggründe wurde nicht das Jugendstrafrecht angewendet, wie in solchen Fällen sonst üblich. Vermutlich wurde der Sohn von der Familie als Täter ausgewählt, weil er mit zur Tat 20 Jahren noch optional unters Jugendstrafrecht gefallen wäre. Dass er dennoch nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt laut Urteilsbegründung daran, dass der junge Mann „wieder in die Gesellschaft eingegliedert“ werden könne und dass er die „geringeren Tatbeiträge“ geleistet habe.

Ein weiteres Detail: Nach der Urteilsverkündung randaliert die Familie im Gericht. Wie in solchen Fällen üblich betrauert sie nicht den Tod der Tochter, sondern den jungen Mann, der ins Gefängnis muss. Ibtihals Mutter ändert später ihren Nachnamen und heißt nun wie der flüchtige Onkel, der mutmaßliche Mörder ihrer Tochter.

2012 wird der flüchtige Onkel an der finnisch-russischen Grenze festgenommen und im November nach Deutschland ausgeliefert. Auch die Mutter und ein weiterer Onkel werden festgenommen. Anfang 2013 meldet sich ein weiterer Cousin, der behauptet, er habe die Schüsse abgegeben. Inzwischen sei er 20, zum Tatzeitpunkt also minderjährig. Im März 2013 beginnt der Prozess vor dem Hagener Landgericht. Die Anklage lautet auf gemeinschaftlichen Mord.

Im Juli steht das Urteil auch für die weiteren Familienmitglieder fest: Der "finnische" Onkel muss lebenslang ins Gefängnis, der 16jährige Bruder des Opfers für 6.5 Jahre. Die Mutter muss eine Strafe zahlen, weil sie vor Gericht gelogen hat, kommt aber ansonsten frei. Der andere Onkel wird ebenfalls freigesprochen. Wieder kommt es zu Randalen im Gericht, diesmal zwischen verfeindeten Zweigen des Clans. Im Mai 2014 bestätigt der Bundesgerichtshof das Urteil.

Was ist ein Ehrenmord?

Ein Ehrenmord ist ein Mord im Namen der Ehre. Wenn ein Bruder seine Schwester ermordet, um die Familienehre wiederherzustellen, handelt es sich um einen Ehrenmord. Nach Ansicht von Aktivisten sind die häufigsten Gründe für Ehrenmorde, wenn das Opfer:

Fragen zu Ehrenmorden

  • die Zusammenarbeit in einer arrangierten Ehe verweigert.

  • die Beziehung beenden will.

  • das Opfer einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs war.

  • wurde beschuldigt, eine sexuelle Beziehung ausserhalb der Ehe zu haben.

Menschenrechtler gehen davon aus, dass jedes Jahr 100.000 Ehrenmorde verübt werden, von denen die meisten den Behörden nicht gemeldet werden und einige sogar von den Behörden selbst absichtlich vertuscht werden, zum Beispiel weil die Täter gute Freunde von örtlichen Polizisten, Beamten oder Politikern sind. Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist immer noch ein ernstes Problem in Pakistan, Indien, Afghanistan, Irak, Syrien, Iran, Serbien und Türkei.

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